Rede von Nele Flüchter auf der #friedlichzusammen- Demo am 15.01.22

Hallo, mein Name ist Nele. Ich bin Pädagogin und außerdem Mutter von 2 Kindern und setze mich seit April 2020 aktiv für Kinderrechte in der Pandemie ein. Von Anfang an habe ich das massive Ungleichgewicht der Belastung durch die Corona Maßnahmen in Bezug auf Kinder, Jugendliche und auch Familien wahrgenommen. Schon sehr schnell habe ich mir große Sorgen um die Folgen gemacht und mich gefragt, ob es das alles wert ist. Und genau deshalb stehe ich heute hier, fast zwei Jahre später. „Man muss aufpassen, dass man nicht den Teufel mit dem Beelzebub vertreibt, sagte letztens eine befreundete Lehrerin zu mir.“ Der Teufel, das ist Corona. Der Belzebub, das sind die Maßnahmen. Wir alle, die wir im pädagogischen Bereich arbeiten, erleben täglich die Folgen der verfehlten Lockdown-Politik unserer Regierung und der Maßnahmen. Ich sehe Jugendliche, die Angst vor sozialen Kontakten haben und sich teilweise nicht mehr aus dem Haus trauen, sie gehen kaum noch zur Schule und schaffen es nicht mehr einen geregelten Alltag aufzubauen. Direkt nach dem ersten Lockdown musste ich miich mit selbstverletzenden Verhalten von weiblichen Auszubildenden auseinandersetzen, sowie einer starken Zunahme von Adipositas und Magersucht. Das ist aber nur die Spitze des Eisbergs.

500 Kinder mussten laut einer Studie der Uni Essen 2021 wegen eines Selbstmordversuchs auf der Intensivstation behandelt werden. Das ist eine 400 prozentige Steigerung zum Vorjahr. Wir haben den Kindern und Jugendlichen über Monate ihr ganzes Leben genommen. Schule, Freizeit, Freunde. Danach durften sie nur mit massiven Hygienemaßnahmen am Schulunterrichtteilnehmen, mit Abstandsgeboten, ständiger Desinfektion und Masken. Zuletzt wurden und werden vor allem Jugendliche einem massiven Impfdruck ausgesetzt. Obwohl wenig durch Covid-19 bedroht, mussten und müssen Kinder und Jugendliche am meisten unter den Maßnahmen leiden. Das unser Gesundheitsminister Karl Lauterbach diese Woche unerwiedert in einer Talkshow behaupten durfte, dass die gestiegene Selbstmordrate und die Überlastung von psychiatrischen Kinderkliniken nichts mit dem Lockdown und den Maßnahmen zu tun hat, macht mich unfassbar wütend. Ebenfalls wütend machen mich diese Zahlen aus der aktuellen Kriminalstatistik:

● Innerhalb eine Jahres wurden 152 Kinder getötet, ein Drittel mehr als im Vorjahr.
● Es gab 5000 mehr Fälle von Missbrauch, wobei die Dunkelziffer deutlich höher ist.
● dazu kommt ein Anstieg des Handels mit Kinderpornografie um 50% innerhalb eines Jahres.
● 60 % mehr Fälle von Adipositas bei Kindern und Jugendlichen
● Ein Anstieg der Patienten mit starkem Untergewicht um ein Drittel. Dazu muss man wissen: Magersucht ist die häufigste Todesursache von jungen Mädchen und Frauen. Jede zehnte verstirbt an dieser Erkrankung.

Deutschland hatte im europäischen Vergleich die längsten Schulschließungen. 38 Wochen insgesamt durften Kinder in Deutschland während der Pandemie nicht die Schule besuchen. Dazu kommen bis jetzt 92 Wochen Maßnahmen und Kontrollen. Man kann nur hoffen, dass es eine Aufarbeitung dieser beispiellosen Verletzung des Rechts auf Bildung und Teilhabe von Kindern geben wird. „Kinderärzte (…) haben weniger Sorge vor den potenziellen Long-Covid-Gefahren für Kinder, (…) , wohl aber zunehmend vor Belastungserscheinungen, die auf die Lockdown-Maßnahmen zurückzuführen sind.“ sagt Tobias Tenenbaum, Vorsitzender der deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie, in einem aktuellen Weltartikel. Er weist auch darauf hin, dass die mediale Präsenz der Krankheit und die damit verbundene Angst der Eltern bestimmte Symptome wie Kopfschmerzen, Müdigkeit und Erschöpfung bei den Kindern verstärken kann. Es sind nicht nur die Schulschließungen, der Wechselunterricht und die kontaktbeschränkenden Maßnahmen in der Schule, die hier negative Auswirkungen haben. Es ist auch das alltägliche Erleben der Pandemie im privaten Alltag, der Stadtbummel, bei dem den Kindern nur Erwachsenen hinter Masken begegnen, die Angst, die eigenen Großeltern mit dem unsichtbaren Virus anzustecken. Es sind die Sorgen der Eltern, die alltägliche Disziplinierung, verbunden mit der Warnung vor der Ansteckung, die Nachrichten im Radio und natürlich auch der Verzicht auf den Urlaub, auf das Wochenende im Freizeitpark.

Dazu ein Beispiel: Mein damals 8-jähriger Sohn konnte seinen besten Freund sechs Monate lang nicht sehen, da dieser sich aufgrund der Angst seiner Eltern vor Corona nicht privat mit anderen Kindern treffen durfte. Als die Kinder dann nach den Schulschließungen endlich wieder Wechselunterricht hatten, war sein Freund in der anderen Gruppe. Eines Tages kam mein Sohn dann freudestrahlend aus der Schule und erzählte mir, dass er seinen Freund aus der Ferne gesehen hatte und sie sich gewunken hätten. Das so etwas Kindern über so lange Zeit zugemutet wird, macht mich absolut sprachlos. Ich frage mich was wohl passiert wäre, wenn Covid-19 eine Erkrankung wäre, die vor allem Kinder und Jugendliche getroffen hätte? Hätten wir Erwachsenen uns dann auch zurückgehalten um sie zu schützen? Ich glaube nicht.

Als vor ein paar Wochen die Kinderstationen überliefern, mit Kindern die am RS Virus erkrankt waren, war das lediglich eine Randnotiz in den Zeitungen. Kinder und Jugendliche wurden durch die Politik schon viel zu lange als reine Verschiebemasse in der Pandemie genutzt. Was wir brauchen, ist Normalität für Kinder und Jugendliche. Sie müssen Freunde treffen dürfen, sie müssen ihren Alltag so normal wie möglich gestalten dürfen. Ohne Impfdruck und Maßnahmen in Schulen, wie ständiges Maskentragen und regelmäßige Tests. Diese Teilhabe darf nicht von einer Impfung abhängig gemacht werden, die für die Kinder selbst wenig Nutzen hat. Und zuletzt möchte ich den Wunsch meiner damals 5jährigen Tochter von vor einem Jahr vorlesen, den wir damals an einen Wunschbaum für Kinder gehängt haben: „Wenn ich 6 Jahre alt bin, wünsche ich mir das Corona vorbei ist.“ Meine Tochter ist in der ersten Klasse und hat Schule bisher nur mit massiven Hygienemaßnahmen erlebt. Es gab kein Einschulungsfoto, keinen Tag der offenen Tür, keine Einschulungsuntersuchung, keine Abschiedsfeier in der Kita. Dafür ständiges Masketragen, Hände waschen und jede Mene Coronatests. Mittlerweile ist sie 6 Jahre alt. Ich hoffe das ihr dieser Wunsch in diesem Lebensjahr noch erfüllt wird. Vielen Dank.

Quellen:

https://www-br-de.cdn.ampproject.org/v/s/www.br.de/nachrichten/amp/deutschland-welt/gewalt-opfer-2020-wurden-152-kinder-getoetet,SYVTNPi?amp_js_v=a6&amp_gsa=1&usqp=mq331AQKKAFQArABIIACAw%3D%3D#aoh=16381107415218&referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.com&amp_tf=Von%20%251%24s&ampshare=https%3A%2F%2Fwww.br.de%2Fnachrichten%2Fdeutschland-welt%2Fgewalt-opfer-2020-wurden-152-kinder-getoetet%2CSYVTNPi

https://www.dak.de/dak/bundesthemen/corona-alarmierende-folgen-fuer-kinder-und-jugendliche-2480802.html#/

https://www.wr.de/region/corona-dramatischer-anstieg-bei-suizidversuchen-von-kindern-id234241693.html?fbclid=IwAR1TQQfCGaCzYS1lmqHh7QizzdSE1EQIJDihFKWOBSHgf0swXJf1nLgH_Qo

https://www.welt.de/kultur/plus236149392/Kinder-in-der-Pandemie-Was-ist-gefaehrlicher-Long-Covid-oder-Long-Lockdown.html

https://twitter.com/567Marit/status/1481380851724214278?s=20